Where the magic happens
10.11.2015

Was Yogis von Steve Jobs lernen können - Alexandra Habermaier berichtet aus Spanien


Buddha Statue Alexandra Habermaier
Küste Casa el Morisco Alexandra Habermaier
Alexandra Habermaier in der Hängematte Alexandra Habermaier

Der Designer Philipp Starck hat mal zu Steve Jobs gesagt, dass er seine besten Ideen beim Duschen hat und zwar genau in dem Moment, wenn er das heiße Wasser auf kalt dreht. Steve Jobs meinte daraufhin, ihm gehe es genauso. 

Was hat diese Aussage mit einer Yogareise nach Andalusien zu tun? Es geht um Übergänge und Komfortzonen. Die Teilnehmer des Yoga-Kurses, die sich am 13.09.2015 abends am runden Tisch auf der Casa el Morisco zusammenfanden, waren so unterschiedlich wie immer: Sechs Frauen und drei Männer, die alle ihren eigenen Yoga-Stil praktizierten, aber den gemeinsamen Wunsch hatten, dass die Yoga-Praxis in der Casa-Woche fließend sein sollte.

„Vinyasa Flow“ - so war auch der Titel des Kurses. Fließende Übergänge waren also das Thema, was im klassischen Ashtanga-Yoga bedeutet, dass die einzelnen Asanas durch Bewegungselemente mit synchronisierter Atmung verbunden und dynamisch durchgeführt werden. Was passiert aber genau im Übergang, also im Vinyasa? Mit der immer gleichen Bewegungsabfolge bleibt man im Fluss, man hält die Spannung - wie in einer Geschichte den Spannungsbogen. Es ist ein Schwingen, ein Pulsieren, das im Sanskrit mit dem sehr treffenden Ausdruck „Spanda“ übersetzt werden kann. Das bewusste Erleben dieses Schwingens im Atemrhythmus ist ein Wahrnehmen dessen, wie ich etwas mache. Es geht hier also nicht ums Durchhalten, um möglichst schnell zum nächsten Asana zu kommen, sondern um den Genuss dessen, was ich gerade mache, das genaue Hinschauen. Dieses intensive Hinschauen können wir auch im Alltag etablieren. Am augenfälligsten auch hier in den Übergängen, weil sie oft eine besondere Faszination auf uns ausüben, uns in einer gespannten Atmosphäre halten.

Was ist das Besondere an der Pause zwischen Einatmung und Ausatmung? Warum verzaubern uns Sonnenaufgänge genauso wie Sonnenuntergänge? Zunächst mal scheinen uns die Übergänge in eine Art Empfangsmodus zu versetzen. Diese Momente werden also nicht zuerst intellektuell und willentlich erfasst, genauso wenig wie Steve Jobs vermutlich geplant die Lösung eines Problems gesucht hat, wenn er nackt unter der Dusche stand. Er hat aber bewusst seine körperliche Komfortzone verlassen, als er das Wasser auf kalt stellte und so vielleicht den Zugang zu einer mehr intuitiven Wahrnehmung gefunden. Und genau diese kann man auch in der Atembeobachtung wecken, indem man zum Beispiel die Aufmerksamkeit auf die kleine magische Pause zwischen den Atemzügen lenkt und so aus der zwar recht komfortablen, aber im Alltag automatisch ablaufenden Atmung herauskommt.

Das Besondere - eher Absichtslose - kann ich auch im Asana finden, fühle mich aber ganz häufig, vor allem zu Beginn meiner eigenen Yoga-Praxis, zunächst erinnert an das, was ich auch im Alltag erlebe: ich bin ehrgeizig, ängstlich, will kontrollieren, ich bin träge, wach, leidenschaftlich und übe mich immer wieder im Loslassen. Richtig gut fühlt es sich erst dann an, wenn das Asana leicht wird. Wenn ich lächeln kann. Und dieser Übergang von der Schwere in die Leichtigkeit, vom Festhalten ins Fließen, der ist es, der mir das Gefühl gibt, in meiner Mitte zu sein. Auf der Yogamatte spielen sich also in modifizierter Form die gleichen Dramen ab wie im Leben. Und genau das kann ich nutzen, umwandeln, hinüberholen ins Leben. Weil die körperliche Praxis uns die Möglichkeiten der Veränderungen spürbar zeigt, sodass man hier über die Grenzen des Machbaren und vor allem des Vorgestellten hinausgehen kann. Das wiederum macht den Geist offen für Experimente, die wir uns vielleicht nicht zugetraut hätten.

Wir schauen also über den Mattenrand hinaus und verlassen unsere Komfortzonen. Mit ebendiesen Komfortzonen experimentierten auch die Teilnehmer des Yogakurses auf ganz individuelle Art und Weise. So wollten einige die Asanas zunächst mal rational, analytisch und logisch erfassen und aktivierten dafür vor allem die linke Gehirnhälfte. Andere wollten sich weniger mit Hebelgesetzen in den Haltungen beschäftigen, und gingen mehr intuitiv, emotional und körperorientiert an die Sache ran. So schmolzen einige in die hüftöffnenden Übungen wie Butter in der Sonne, fragten sich aber, bevor sie aus der Gleichgewichtshaltung kippten, ob sie nun Mut, Kraft, Gelassenheit oder gar die sagenumwobenen Bandhas für die Statik in der Haltung gebraucht hätten? Und für die jüngste Teilnehmerin mit blockiertem Iliosakralgelenk war es wichtig, die altvertraute Ashtanga Yoga-Praxis durch die neu entdeckte Yin Yoga-Praxis zu ergänzen, weil die Blockade sich deutlich besser im Loslassen lösen konnte.

Aber auch außerhalb der Matte mussten die Teilnehmer ihre Komfortzonen mehr oder weniger freiwillig verlassen. So entpuppte sich der entspannte Vorleseabend im offenen „Wohlfühlprogramm“ der Casa als ganz besondere Herausforderung, waren wir doch gekommen, um wie in Kindertagen auf federweichen Kissen beseelt den Worten der Geschichtenerzählerin zu lauschen. Ebendiese brachte uns gerade noch schlaftrunkene Zuhörer in helle Aufregung, als sie bunte Bildkarten verteilte und uns dazu aufforderte, eigene Geschichten in kleinen Gruppen zu erfinden. Der plötzliche Adrenalinschub brachte Unruhe und Nervosität, präsentierte aber so ganz nebenbei brillante ErzählerInnen, die gar nichts von ihrer Gabe gewusst hatten. Eine beste Freundin gab gar eine spontane und nicht wirklich linear erzählte Geschichte mit so viel Wortwitz zum Besten, dass der Spannungsbogen sich allein aus ihrer Präsentation heraus hielt und nicht aufgrund des Tempos und der zwingenden Logik, was vielleicht darauf schließen lässt, dass sie sich an diesem Abend eher in ihrer rechten Gehirnhälfte eingerichtet hatte. Der Sprung aus der Komfortzone hatte sich an diesem Abend aber vermutlich für alle gelohnt, da wirklich niemand die heilige Yogahalle verließ, ohne ausgiebigst und auch sichtlich erleichtert gelacht zu haben.

Am letzten gemeinsamen Tag stand dann noch ein besonderer Ehrentag ins Haus. Die quirlige Schweizerin hatte Geburtstag und verbrachte diesen ohne ihre Yoga-Gruppe auf einem Ausflug in Granada. Von dort kam sie weit nach Sonnenuntergang zurück zur Casa und wurde hier mit einem Geburtstagsständchen überrascht. Da man nun den letzten Übergang vom Tag in die Nacht nicht gemeinsam erlebt hatte, widmete sich die etwas geschrumpfte Gruppe dann dem gemeinsamen Erleben des Sonnenaufgangs, was sich, in der Konsequenz des kompletten Schlafausfalls, als erneuter Sprung aus der Komfortzone erwies. Müdigkeit stellte sich trotzdem nicht ein, was sich vielleicht mit der durch und durch entspannenden Woche und der Magie des Übergangs erklären lässt, den Steve Jobs unter der Dusche vielleicht auch nicht nur aus Erfrischungsgründen wiederholt erlebt hat.

Yogapraktizierenden und Visionären kann ich also zwei Dinge beherzt empfehlen: Raus aus der Komfortzone, rein in die Übergänge. In denen lässt es sich übrigens auch am besten meditieren.

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Alexandra Habermaier

 

 

    

 

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