Von heiligen Stätten zu heiligen Bergen – Reisebericht
Mit dem Abschließen meiner Wohnung begann sich ein Traum zu erfüllen, den ich mir zu meinem 50. Geburtstag gewünscht habe: Eine Reise nach Nepal, Tibet und die Umrundung (Kora) des heiligen Berges Kailash.
Die Anreise von Frankfurt über Neu Delhi nach Kathmandu verlief reibungslos, alles war bestens organisiert und bald standen wir etwas unbeholfen und fremd mit unserer Begrüßungskette um den Hals am Airport von Kathmandu, wo wir von unserem Reiseleiter Dinesh herzlich empfangen wurden.
Auf der Fahrt zum Hotel bekam ich einen ersten Eindruck von Nepals Hauptstadt, die so viel anders ist, als ich es von meiner Heimat kenne. Unser Hotel war eine Oase mitten im Gehupe und den anderen Geräuschen der Stadt. Und nach einem kurzen Briefing durch Dinesh wagten wir uns in der Gruppe hinein ins Gewühle, in das Feierabendchaos. Aber ich hatte ein sicheres Gefühl dabei, als wir zum sog. Affentempel aufstiegen. Von hier hatten wir einen großartigen Blick auf die Stadt, konnten zum ersten Mal eintauchen in die Atmosphäre des nepalesischen Buddhismus.
So vergingen die ersten drei Tage, wir besichtigten die Sehenswürdigkeiten in und um Kathmandu, unzählige Tempel, Paläste, heilige Stätten. Wir bekamen einen kleinen Eindruck vom Alltag und dem Leben der Menschen hier, ihren Bräuchen, ihrer Geschichte, ihrer Religionen. Denn hier leben Buddhismus und Hinduismus Tür an Tür. Und überall wurden wir mit einem freundlichen NAMASTE begrüßt.
Unsere Reise ging weiter nach Lhasa, der Hauptstadt Tibets und noch am Flughafen bekam ich einen Eindruck von den enormen Baumaßnahmen, die China in Tibet vollbracht hat. Es waren fast wieder europäische Verhältnisse hier. Pemar, unser tibetischer Guide, empfing uns mit dem obligatorischen Seidenschal.
Unser Hotel war mitten in der Altstadt, zentral gelegen, mit herzlicher Begrüßung. Es war Nebensaison und man war über jeden Gast dankbar. Und dann merkte ich die knapp 3.700 m Meereshöhe der Stadt, als ich zum ersten Mal die Stufen zu meinem Zimmer im dritten Stock hochstieg.
Wir nutzten die ersten Tage in Tibet zum Gewöhnen an die Höhe auch hier mit dem Besuch der Klöster in und um Lhasa, dem eindrucksvollen Potala-Palast, dem Sitz des Dalai Lama. Nach der weitgehenden Zerstörung der Klöster während der Kulturrevolution, werden nach und nach diese wieder aufgebaut bzw. restauriert. Leider mehr zum Zwecke des Tourismus, als zum Klosterleben der Mönche.
Und dann endlich ging es los auf große Fahrt, in Richtung Westen: Durch weite Hochtäler mit landwirtschaftlicher Nutzung. Entlang an Flüssen, die durch die Regenzeit teilweise sehr stark angeschwollen waren und unserer Straße sehr nahe kamen. Über kurvenreiche Passstraßen auf Höhen über 5.200 m.
Wir hielten an großen heiligen Seen mit kristallklarem Wasser. Auf dem Wege lagen Klöster, Einsiedeleien der Nomaden, kleine und große Ortschaften und Städte wie Shigatse oder Giantse. Je weiter westlich wir kamen, desto dünner besiedelt war das Land und desto mehr Yak-Herden begegneten wir. Wir waren jetzt auch nicht mehr alleine, unser Begleit-LKW stieß zu uns. Und dann kamen unsere Zelte zum ersten Mal zum Einsatz.
Es war großartig, in dieser Weite, umgeben von namenlosen Bergen mit über 5.000 m Höhe, an kleinen Flüssen zu campen. Jeglicher Komfort war weit weg, alles auf ein Minimum reduziert und es ging sehr gut. Man gewöhnt sich sehr schnell daran, bekommt damit einen neuen Blick für die anderen, unscheinbaren Dinge.
Aber es wurde noch einfacher, unser Gepäck noch weiter reduziert, als wir unsere Kora, die Pilgerreise um den Kailash begannen. Ein Tagesrucksack auf dem Rücken, eine Reisetasche für das Notwendigste, die die Yaks trugen. Das musste für die nächsten 3 Tage reichen. Von nun an ging es zu Fuß weiter, mittlerweile an die Höhe gewöhnt. Es hat so gut getan, mal nicht im Bus zu sitzen.
Das Wetter spielte auch mit: die Sonne kam hervor, die Wolken lösten sich auf und ich konnte die eisige Gipfelpyramide des Kailash sehen - was für ein einmaliger Berg! Ich musste oft anhalten, um einen Blick auf diesen Gipfel zu werfen, zu fotografieren, aber auch um die vielen Plätze mit den Gebetsfahnen, mit den Manisteinen zu beachten.
Der zweite Tag war unser Höhepunkt der Reise, der Domla-Pass mit über 5.600 m Höhe war zu überwinden. Ein Meer an Gebetsfahnen säumte unseren langen Weg nach oben, jeder Schritt ein Atemzug, begleitet von vielen andern Pilgern jeden Alters, so kam ich oben an, war überwältigt. Leider musste ich wieder bald weiter, von nun an ging es bergab, wieder zurück zum Ausgangspunkt der Wanderung, den wir am dritten Tag erreichten.
Es war noch mal sehr ergreifend, als ich aus der Enge des Tales in die Weite der Hochebene kam. Es kam mir auch zum ersten Mal der Gedanke, dass nun meine lange Reise zurück begann.
Aber diese Rückreise hatte noch einen weiteren Höhepunkt zu bieten: Den Abstecher zum Mt. Everest, wobei der Abstecher nicht mit europäischen Maßstäben zu messen ist. Vor uns lagen nochmals unzählige Kilometer und Höhenmeter an Strecke, bis wir am Kloster Rombuk angekommen sind. Es war das letzte und höchstgelegene Kloster unserer Reise auf über 5.100 m Höhe. Auch hier haben die Götter es gut mit uns gemeint: rechtzeitig vor Sonnenuntergang haben sich die Monsunwolken gelichtet und gaben den Blick auf die überwältigende Nordwand des welthöchsten Berges frei. Jetzt habe ich auch verstanden, warum die Einheimischen diesen Berg Chomolungma (Sitz der Götter) nennen. Er ist einzigartig schön, war durch Neuschnee unberührt, ich werde das Bild nicht mehr vergessen.
Damit waren die letzten Tage meiner Reise angebrochen und es gab nochmal so etwas wie Nervosität in unserer Gruppe. Es hatte viel geregnet die letzten Tage, vor allem auf nepalesischer Seite, und niemand wusste, in welchem Zustand die einzige Verbindungsstraße, besser gesagt Piste, war. Eigentlich sind es nur knapp 200 Kilometer von der tibetischen Grenze nach Kathmandu, für deutsche Verhältnisse ein Klacks. Hier sind es mit gut Glück 9-10 Stunden, die man braucht, es können auch schnell bis zu 15 oder mehr werden! Und jeder hatte schon die Abflugzeit im Kopf, zu der wir wieder am Flughafen sein mussten.
Aber auch dieses Mal ging alles gut, zu siebt in einem Jeep, unser Gepäck auf dem Dach, wühlten wir uns durch durchweichte Pisten, durch unzählige Schlaglöcher und Bodenwellen, über Steinbrocken; auf der einen Seite die Bergwand, auf der anderen der hochwasserführende, reißende Gebirgsfluss, es war Abenteuer pur. Es war eine ganz andere Landschaft hier in Nepal, ungewohnt grün mit Vegetation, aber wir waren ja auch nur noch 1.500 m hoch.
Durchgeschüttelt, müde, verstaubt, aber sehr froh kamen wir abends wieder im Hotel an. Endlich wieder eine warme Dusche, ein warmes Bett, willkommen zurück in der Zivilisation. Wie sehr sich doch die Maßstäbe in diesen drei Wochen verschoben haben…
Eine letzte Nacht im Hotel, ein Morgen mit Stromausfall (alles kein Thema mehr), Frühstück bei Kerzenschein, dann hieß es endgültig Abschied nehmen von zwei einmaligen Ländern, ihren Menschen, ihren Landschaften, ihren schönen und nicht so schönen Seiten. Und so wie ich hingekommen bin, so bin ich wieder abgereist, jetzt in meinem Gepäck ein paar Souvenirs, in meinem Herzen unzählige schöne Momente, Eindrücke, neue Erfahrungen, Augenblicke…
Danke Nepal, danke Tibet für diese unvergessliche Zeit, ich will nochmal wieder kommen!
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