26.10.2015 Herr Stefan Schultz

Reisebericht Tibet: Pilgern zum heiligen Berg Kailash


Seit gestern bin ich nach meiner Tibetreise mit Roman Mueller zurück an meinem Wohnort in Lanzarote und will Ihnen gerne in einigen Zeilen über das Erlebte berichten.

Zuallererst lobende Worte für Roman, der sein Bestes gab, um uns Reiseteilnehmer gut anzuleiten und einen für uns erinnerungswürdigen Aufenthalt in Kathmandu und Tibet mitzugestalten. Gleiches Lob gilt für Dorje, unserem tibetischen Führer, ein herzenswarmer Mensch, der bereitwillig und kenntnisreich für uns da war, genauso wie der Rest der nepalesisch-tibetischen Hilfsmannschaft, ohne die eine solche Reise nicht möglich gewesen wäre. Danke an die ausdauernden Fahrer Basang und Sidhar, danke auch an die stets fröhliche Küchenmannschaft Purpu, Takur und Pratab, die einen Unbequemlichkeiten und Kälte beim Zelttrecking durch Ihr Verwöhnkochprogramm leicht aushalten ließen. Glücklich war auch der Umstand, dass alle Mitreisenden ihren Teil dazu beitrugen, dass die Stimmung in der Gruppe fast durchweg harmonisch und gut war.

Kathmandu, der Auftaktort unserer Reise, der mich in seiner quirligen Buntheit, mit seinen liebenswürdigen Menschen, seiner Vielfalt, seiner tauglichen Alltagsreligiösität, seiner Wiederaufbaukapazität und dem scheinbar funktionierendem Chaos auf den Straßen in seinen Bann zog - wer ist nicht ergriffen, wenn er in Lhasa das erste Mal am Fuße des Potala, diesem Meisterwerk tibetischer Baukunst steht und staunend himmelwärts blickt. Gross musste unser Aufnahmevermögen sein, als Dorje uns im Inneren der ehemaligen Dalei Lama Residenz herumführte; durch unzählige hohe Räume voll mit Gold- und Bronzefiguren, Erscheinungsformen der unterschiedlichen Buddhas, Siddhis, Tulkus, Klostergründern und Gottheiten, Butterlampenarrangements und Seidenbrokat und uns dabei die Ikonografie und Geschichte des jeweils Gesehenen erklärte und beschrieb. Dazu die Gläubigen, die hingebungsvoll vor anbetungswürdigen Schutzgottheiten und wichtigen Personen der lamaistischen Glaubenswelt verweilten und einen Butterguss in das brennende Kerzenmeer oder einen Geldobulus darboten.

Das gleiche Bild in allen Klöstern die wir besuchen durften. Am eindrücklichsten war für mich das Kloster Samje, welches das älteste Kloster Tibets ist. Dort atmet man Heiligkeit und den Duft von Räucherwerk aus dem Ofen am großen Vorplatz ein. Von Ganden bis Samje verliefen die ersten Trekkingtage durch die zentraltibetische Bergwelt. Wunderbar ausgedacht von Roman und Dorje, um uns für die Tage am Kailash zu akklimatisieren. Wenn Roman den Gong schlug, wanderten wir in meditativer Stille, die Sinne wach und präsent durch eine traumhaft schöne Landschaft, überquerten Passhöhen von über 5000 Meter, erfreuten uns an den zahlreichen Yaks auf den Berghängen,  dem Enzian, Edelweiß und dem seltenen blauen Mohn. Jubelrufe beim Anblick von Blauschafherden und einigen auerhahnartigen Vögeln, die sich in waldigem Gelände tummelten.

Die An- und Abstiege waren technisch nicht schwierig, aber die Höhe machte uns das Atmen nicht leicht. An diesen ersten Tagen litten einige an Kopfschmerzen und wir hatten verquollene Augen, wenn wir morgens aus den Zelten krochen. Dann die lange Fahrt Richtung Westen am Yarlung Tsangpo entlang, der sich weitläufig und mäandernd von gelbleuchtenden Pappeln geschmückt durch die Landschaft schlängelt. Weite Täler, faszinierende Berglandschaften unter einem makellos blauem Himmel, vorbei am weitläufigen See Yamdok Yutsho, hinauf durch alm-artige Regionen, immer begleitet von Schaf- und Yakherden und den nie unterbrochenen Stromleitung entlang der guten Straße.

Nach weiteren Klosterbesuchen in Gyantse und in Shigatse und nach einer langen Fahrt entlang der tibetischen und nepalesischen Hochgebirgskordilliere, tauchte der Sehnsuchtsberg und das Traumziel dieser Reise zum ersten Mal auf. Ein Meer von Gebetsfahnen an der Straße, linker Hand die weißgezuckerte Gurla Mandhata (7728 m), die blaue Linie des Manasarowarsees (tib. Tsho Mapham) und gegenüber, die Bergpyramide des Kang Rinpoche, dem leuchtenden Schneejuwel Kailash (6714 m) zwischen dunklen Bergen. Dieser Anblick war zum Niederknien, gemütsbewegend und ergreifend. In dieser Nacht zelteten wir am Ufersaum des Manasarowarsees, zu dem wir nach einer ausblickreichen Bergüberschreitung, begonnen an den Wassern des Rakshastal See ( tib. Langka Tsho) hinab stiegen. Roman hatte diese Tour schon vor Jahren erkundet und wollte dieses Naturerleben unbedingt mit uns teilen. Vom Wind gepeitscht standen wir in der Höhe zwischen den beiden Seen, inmitten dieses gewaltigen Naturmandalas und konnten uns gar nicht satt sehen an der Weite und dem schönen Farbenspiel, dem tiefen Blau der Seen, dem in der Sonne glitzerndem Weiß des Gurlamandhatamassives und den braunfarbigen Schattierungen und Schattenwürfen der niederen Bergketten.

Nächste Etappe war dann Thirtapuri mit seinen heißen Quellen, den unzähligen Manisteinmauern, gläubigen buntgewandeten Tibetern, die hier eine kleine Kora beschreiten, bevor sie an den Kailash weiterziehen. Uns war ein Bad in den dampfenden Wassern willkommen, denn die washing bowl die uns am Morgen freundlich vor das Zelt gestellt wurde, reichte nur für eine Katzenwäsche.

Langeweile konnte nicht aufkommen. Die Fahrt ging weiter ins ehemalige Königreich Guge, gelegen in der  unglaublich weitläufigen Erosions- und Cañonlandschaft des Sutlejflußes, der in der Region des Kailash entspringt und sich in Jahrtausenden durch das hier weiche Gestein gearbeitet hat. Eine bizarre Landschaftsgestaltung und mittendrin die Burg von Tsaparang, festungsgleich auf einem von Höhlenwohnungen durchlöcherten Berg. Wunderschön und von einmaliger Pracht betrachteten wir in den Tempeln Wandmalereien von Königen, Boddhisatvas, Gottheiten und Szenen aus dem Leben des historischen Buddhas Sakyamuni. Traurig war der Anblick der von den chinesischen roten Garden vor Jahrzehnten zerstörten Gottheitsstatuen in einem Tempel, in dem sich das lächelnde Gesicht eines Buddhas über seinem zerstörten aus Ton und Stroh geformten Körper, über Vergänglichkeit und Verfall erhaben zeigte.

Wieder einen Tag später fuhren wir nach Darchen, dem Ort von wo aus wir den Pilgergang um den Kailash beginnen sollten. Angenehm wohnlich war das Swiss Guesthouse, mit seinem gutbeheiztem Ofen in der Stube und den immer bereitgestellten großen Thermoskannen mit Tee oder heißem Wasser. Der Besuch der Medizinschule nebenan, gab uns die Möglichkeit die jungen Schüler zu befragen und man ließ uns die großen geflochtenen Teller mit den aus vielen Kräutern geformten Heilpillen in Augenschein nehmen.

Danach schnürten wir wieder die Bergstiefel, um weitere Akklimatisierungstouren Richtung Südwand des Kailash zu absolvieren. Wieder einmal überschreiten wir die 5000 Meter Grenze, als wir sowohl die Seralung Gompa und die Gyangdag Gompa besuchen und dahinter noch weiter die Hänge hinaufsteigen mit klarer Sicht auf die nahe Südseite des Eisberg-Juwels. Ich bin gerührt von der heiligen Präsents dieses Weltenberges und voller Dankbarkeit ob meiner Wunscherfüllung hier sein zu dürfen, so fern der Heimat und doch so gut aufgehoben inmitten dieser Bergwelt und im Kreis meiner Mitwanderer.

Dann ist es endlich soweit. Von Darchen aus machen wir uns zu Fuß auf den Weg zur Umrundung dieses Bergsymbols. Für die Gläubigen ist es wie ein Gang in das heilige Zentrum dieser Welt, eine Begegnung mit einer Landschaft, die den sensiblen Sinnen die Unendlichkeit von Raum und Zeit erschließen kann, eine Begegnung mit dem Selbst und der Ansammlung von karmischen Verdiensten, wenn der Berg umschritten ist. Wir fühlen uns als Wallfahrer und teilen den Weg mit vielen tibetischen und wenigen chinesischen Pilgern. Weit und einladend liegt der Taleingang in Darpoche vor uns. Unsere Lasten tragenden Yaks und deren Treiber eilen fröhlich und leichtfüßig an uns vorbei.

Wir verweilen noch sitzend am großen Flaggenmast in der Stille, bevor wir uns auf den 55 km langen Weg, beginnend im Tal des Lhachu (Götterfluss) begeben, hinein in das Abenteuer, das zu einer symbolischen Wiedergeburt des Geistes führen soll. Staunend schauen wir auf die hohen Konglomerat- und dunklen Felswände, die wie Wächter an der Westflanke des Kailash drohend in den Himmel ragen. Wir machen Rast an der Chöku Gompa in der eine Figur des Kangri Lhatsen, der lokalen Schutzgottheit der Kailash Region verehrt wird. Zelttrekking wie von Roman geplant war nicht erlaubt und weit hinten im Tal überqueren wir unterhalb der Drira Phug Gompa auf 4900 m den Fluss und nächtigen in containerartigen Unterkünften, so wie es von den lokalen Behörden angeordnet war. Unglaublich von hier aus der Blick auf die steile Nordwand des Kailash die sich in ihrer ganzen majestätischen Pracht zeigt.

Hier beginnen wir am nächsten Tag im kalten Morgengrauen den anstrengenden Aufstieg zur Passhöhe des Dolma La oder Tara Passes auf 5723 m, verbrennen mit den ersten wärmenden Sonnenstrahlen symbolisch Papierzettel auf die wir geschrieben haben, was wir gerne loslassen wollen, so dass es in unserem "neuen Leben" keinen Störfaktor mehr bilden kann. Groß ist die Freude als unsere Gruppe oben am Pass angekommen ist und wir uns gratulierend und überglücklich es geschafft zu haben, in die Arme fallen. Wir verweilen am Wegesrand, betrachten die vorbeiziehenden oder ebenfalls rastenden Pilger, und knüpfen unsere mitgebrachten Gebetsfahnen in das bunte Meer der schon Vorhandenen mit ein. Dann beginnen wir den steilen Abstieg in das östliche Kailashtal, vorbei am Thuje Chenpo-See und einigen Pilgern, die die Umrundung mit Niederwerfungen absolvieren und dafür 15 bis 28 Tage benötigen.

Nach weiteren Abstiegsstunden durch eine faszinierende Berg- und Talwelt erreichen wir unseren Nachtplatz unterhalb der Dzutrül Phuk Gompa, schlafen dort wieder in Container- Unterkünften und wärmen uns am Ofen des tibetischen "Hotel-Restaurants" das ebenfalls in einer Blechschachtel eingerichtet, ein willkommener und gemütlicher Aufenthaltsort ist. Nur einige Wegminuten benötigen wir hinauf zum Tempel mit der "Höhle der magischen Wundertaten", dort wo der große tibetische Yogi Milarepa einst mit dem Bönmagier Naro Bönchung einen wichtigen Wettstreit hatte, den Milarepa gewann, so dass der Buddhismus den Vorrang gegenüber der animistischen Bönreligion erlangte. Ein Mönch rezitiert mit sonorer Stimme aus den vor ihm liegenden Texten, Gläubige knien nieder und zünden Butterlampen an und wir sitzen den Moment genießend in stiller Betrachtung auf dem Boden.

Am dritten Tag der Kora dauert es nochmals 5 Stunden bis wir von hier aus unseren Ausgangspunkt in Darchen erreichen. Genussvoll und ein Naturerleben ist der Weg durch das langgezogene Tal. Linksseitig unter uns der Bachlauf des Lharnchu, gingen wir vorbei an unzähligen Manisteinmauern inmitten buntfarbener Berge und mit all den Pilgern, die uns während der Umrundung schon mehrmals begegnet waren. Wir begegnen ihnen stets mit einem freundlichen Lächeln und einem grüßenden "tashi delek" auf den Lippen, das sofort offen und strahlend erwidert wurde. Wir fühlten uns willkommen in der Runde dieser tibetischen Pilger, die dunkelhäutig, reich geschmückt und farbenfroh bekleidet den Weg um den Kailash mit uns teilten.

Schnell hieß es dann Abschied nehmen von Darchen und in unseren beiden Kleinbussen machten wir uns auf den Rückweg in Richtung Lhasa. In der netten Gesellschaft der Mitreisenden waren die langen Fahrten gut auszuhalten, die mitgebrachten Vorräte  und Knabbereien wurden geteilt, es wurde erzählt und philosophiert, gedichtet und gewitzelt und die vielen Fotostopps gaben gute Gelegenheiten um sich die Beine zu vertreten, auszutreten und so für die weitere Fahrt gewappnet zu sein. 

Unser Geschaue aus den Busfenstern wurde nie langweilig, die Weite der Landschaft blieb beeindruckend, die unterschiedlichsten Bergformationen hielten unsere Blicke gebannt, in den Dörfern waren die Menschen mit der Getreideernte beschäftigt, Yakdunk und Knüppelholz lagen als Heizmaterial auf den Mauern und Dächern der tibetischen Bauernhöfe und Häuser. Kilometer um Kilometer entfernten wir uns vom Kailash, bis wir hinter dem Ort Saga abbogen und auf einer Nebenstraße Richtung Süden auf den Pelkhü Tsho und die Shishapangma-Kette zufuhren.

Des Öfteren hatten wir Begegnungen mit den tibetischen Wildeseln (Kiangs), ein fotogenes Highlight, das uns ein lautes Stopp an den Fahrer entlockte, damit wir die Tiere mit unseren Linsen einfangen konnten. Murmeltieren sahen wir in den Bergen, einige Gazellen kreuzten unseren Weg und Schwarzhalskraniche standen auf wasserreichen Wiesen. Und wieder ein überwältigender Anblick als wir von einer Anhöhe hinab auf die tiefblaue ausgedehnte Wasserfläche des See schauten mit den dahinterliegenden weißen Schneebergen, die sich bis auf über 7000 m hinaufschwingen,  die Heimat für zahlreiche Götter, die dem Himmel nahe über den Menschen thronen, die diese in ihrer Allmacht im Gebet um Wohlstand und Heilung bitten.

Hier hatten wir endlich ein Rasttag ohne festes Programm. Freie Stunden die wir faulenzend, schreibend, lesend, ordnend oder lustwandelnd in der weiten Landschaft genießen durften. Die Zelte standen zwischen dem See und einer auf die hohen Berge hin sich ausdehnenden Kerbtal- und Hügellandschaft. Hirten waren mit ihren Schafherden unterwegs, in den Lüften kreiste ein Adler und die Pfeifhasen saßen in Habachtstellung vor ihren Löchern. Mein Blick war beim Gang durch die Landschaft auf den Boden geheftet, der übersät war mit den schönsten Steinen, denen ich nicht widerstehen konnte und die als Mitbringsel mein Gepäck an die Grenze des erlaubten Gewichtes brachten.

Weiter ging es vorbei am Everestmassiv über Shigatse und am Yarlung Tsangpo entlang zurück nach Lhasa. Zum Abschied tauchen wir nochmals ein in den Pilgerstrom um den Yokhang, dem tibetischen Nationalheiligtum im Zentrum der Stadt, bevor es am nächsten Morgen bei klarer Sicht mit dem Flugzeug nach Kathmandu weiterging.

Wir drücken uns die Nasen an den ovalen Fenstern platt, als unter uns die mächtigen Massive der Achttausender ins Blickfeld rücken und wir kurz danach in der smokig diesigen Hauptstadt Nepals landen. Hier fühle ich mich wohl und gut aufgehoben. Es blieben uns noch eineinhalb Tage für Einkäufe und die Besichtigung der Bodnathstupa, die unter dem Erdbeben im Mai stark gelitten hat. Fleißig wird an ihrem Wiederaufbau gearbeitet, tausende von Ziegeln sind dafür vorbereitet und aufgeschichtet und das Leben im Rundgang um die Stupa pulsiert, die Läden sind voll mit unterschiedlichster Ware und verlocken uns Westler zum Einkauf. Niemand kann widerstehen und die Lieben zu Hause dürfen sich auf die erworbenen Mitbringsel freuen.

Der Flug zurück nach Frankfurt gestaltet sich angenehm. Der Service der Indian Airline ist freundlich und zuvorkommend. Zwischen den Sitzreihen ist genügend Abstand, so dass auch ein Langbeiner wie ich, diese Flugreise entspannt genießen konnte. Bei der Gepäckausgabe hieß es dann Abschied nehmen und wir standen nochmals Schulter an Schulter im Kreis, so wie es an jedem Morgen während der Trekkingtage mit Roman die Sitte war, wünschten uns alles Gute und machten uns auf den Weg in unser "Neues Leben".

Danke auch nochmal an Herrn Keller und Frau Sturz, die stets bemüht waren und hilfreich Auskunft gaben, wenn ich während der Reisevorbereitungen anrief, Fragen hatte oder Sonstiges zu regeln und zu besprechen war.

Über eine Antwort des NEUE WEGE Teams würde ich mich freuen und würde auch jederzeit wieder mit Roman Mueller und NEUE WEGE Reisen hinaus in die Welt ziehen.

Ich verbleibe erst mal mit sonnigen Grüßen aus Teseguite

muchas gracias a todos

 

Kommentar schreiben

* Diese Felder sind erforderlich

Kommentare

Keine Kommentare