Mann sitzt mit einem Buch im Sitzsatz in einer Yogashala
06.03.2025 Doris Iding

„Ich fühle mich wie neugeboren" – meine erste Ayurveda-Kur


Mann läuft auf einem Weg durch einen grünen Garten Carmen Huter
Ein Frau läuft auf einem schmalen Pfad durch eine grüne Anlage Carmen Huter
Ayurveda Resort in der grünen Landschaft Sri Lankas
Das Ayurvie Sigiriya in traditioneller Lehmbauweise

Meine Reise führt mich ins Herz von Sri Lanka, ins Ayurvie Sigiriya Retreat. Es liegt in der Nähe des Sigiriya Rocks, eines Felsens, der 200 Meter gen Himmel ragt und eines der Wahrzeichen Sri Lankas darstellt. 

Das umweltfreundliche und zu 100% plastikfreie Ayurveda-Resort wurde 2019 im Stil eines traditionellen singhalesischen Hauses gebaut. Die ganze Anlage hat etwas sehr Archaisches: Die Häuser bestehen aus Lehm und Stroh. 

Die Kräuter und Gemüse wachsen im eigenen Garten. Pfauen, Affen und Leguane sind allgegenwärtig. Die Köchin bereitet die Mahlzeiten am offenen Feuer zu. Die Vögel, deren Namen ich nicht kenne, waren zahlreich und berührten mich allesamt mit ihrem Gesang immer wieder tief im Herzen. Auch die unterschiedlichsten Pflanzen strahlten eine solch archaische Schönheit aus, dass sie mir wie ein Geschenk des Himmels an uns Menschen vorkamen. Und die Artenvielfalt in Fauna und Flora führte mir wieder einmal vor Augen, was für ein buntes und illustres Paradies unser Planet Erde doch ist. 

Ich kam mir vor, als wäre ich mit einer Zeitmaschine in eine heile Welt zurückgebracht worden, in der die Menschen noch vollkommen im Einklang mit der Natur lebten. Dieser Eindruck verstärkte sich, weil der Internetempfang hier ausgesprochen schlecht ist und die Strahlenbelastung sich somit sehr in Grenzen hält. 

Im Resort waren wenig Gäste. Das hing damit zusammen, dass zur Zeit meines Besuches immer noch wenig Touristen nach Sri Lanka kamen. Die politischen Unruhen in den letzten Jahren haben hierzulande in den Medien so große Wellen geschlagen, dass die Menschen immer noch Angst haben, auf diese Insel zu kommen. Dabei bräuchte man den Tourismus gerade jetzt besonders dringend. 

Aber alles hat zwei Seiten. Aufgrund der wenigen Gäste hatte ich viel Gelegenheit, mich mit der jungen Ayurveda-Ärztin, Dr. Surandi Dissanayake, zu unterhalten. Sie ist die wohl aufgeschlossenste Ayurveda-Ärztin, die mir bislang bei meinen zahlreichen Besuchen in unterschiedlichen Ayurveda-Resorts auf Sri Lanka und auch in Indien begegnet ist.

Zum ersten Mal traf ich eine Ärztin, die offen und gerne über Spiritualität sprach und mir erzählte, wie diese ihr Leben lenkt. Im Gegensatz zu vielen anderen Insulanern ist sie nicht mehr bereit, sich mit den traditionellen Lebensweisen wie zum Beispiel einer Heirat und Kindern zufriedenzugeben. Sie möchte ihre spirituelle Bestimmung leben und sich selbst verwirklichen.

„Keine Gedanken. Keine Geschichten. Was für ein Geschenk! Was für eine Wohltat! Einfaches Sein. Nach der Behandlung wollte ich lange nicht aufstehen und genoss diese innere Klarheit und Ruhe sehr.“

Ihr Interessenschwerpunkt liegt auf der Erforschung spiritueller Erfahrungen bei Shirodhara. Shirodhara wird gerne als die Königsdisziplin im Ayurveda bezeichnet. Der Name setzt sich aus den beiden Sanskrit-Wörtern shiras = Kopf, und dhara = Fluss, zusammen. Bei dieser Anwendung wird zwischen den Augenbrauen und dem Haaransatz warmes Öl auf die Stirn gegeben.

Dort befindet sich das Dritte Auge, das sechste Chakra. Dieses Energiezentrum gilt als Sitz unserer Intuition und verbindet uns mit den feinstofflichen Ebenen unseres Seins, unserem Bewusstsein und unserer Seele. Indem über diese Region 20 bis 30 Minuten lang warmes Öl gegossen wird, kann eine Verbindung zu tieferen Schichten unseres Selbst hergestellt werden.

Der Ölguss wirkt aber auch sehr tief auf der körperlichen Ebene: Er beruhigt das zentrale Nervensystem und synchronisiert die beiden Gehirnhälften. Mittlerweile leiden sehr viele Menschen unter einer Überreizung oder Übererregung des Nervensystems, die unter anderem durch das viele Surfen im Internet und die Beschäftigung mit dem Smartphone entsteht. Besonders empfehlenswert ist der Stirnguss für alle, die unter erhöhtem Vata bzw. einer Vata-Störung leiden. Besonders erfolgreich wird er zudem bei Kopfschmerzen, psychischem Stress und Schlafstörungen eingesetzt. Aber auch als Entspannungsanwendung ist er beliebt.

ENERGIE FOLGT DER AUFMERKSAMKEIT

Während die meisten Ayurveda-Ärzte immer nur die körperlichen Auswirkungen von Shirodhara betont haben, ging Dr. Surandi Dissanayake in unserem Gespräch schnell auf die spirituelle Wirkung dieser Behandlung ein. Sie betonte, dass der Stirnguss tiefe emotionale Blockaden lösen kann, damit wir uns selbst, unserer Intuition und unserem Wesenskern wieder näherkommen können. Sie erwähnte die tiefgreifende Wirkung den Gästen gegenüber deshalb so genau, weil sie jeden Einzelnen dazu ermutigen wollte, bei der Behandlung und auch danach möglichst präsent zu sein, um die Auswirkung auf den eigenen Geist bewusst nachvollziehen zu können.

Inspiriert durch die Aufforderung der Ärztin, versuchte ich beim Stirnguss ganz im Augenblick zu sein. Eine Übung, die mir besonders am ersten Tag der Anwendung nicht leichtfiel. Viel zu zerstreut war mein Geist. Viel zu gefangen in den Geschichten, die ich aus Deutschland mitgebracht hatte, verlor ich mich immer und immer wieder in Nebenschauplätzen. Aber mit jedem Tag und mit jeder Behandlung konnte ich deutlich spüren, wie die Aktivitäten meines Geistes zur Ruhe kamen. 

Bei Shirodhara liegt der Patient auf dem Rücken, Ohren und Augen werden bedeckt, so dass die Sinne sich langsam nach innen zurückziehen können. Dann beginnt das warme Öl aus einem Abstand von acht bis zehn Zentimetern an einem Docht aus Baumwollgarn aus dem Dhara-Gefäß auf den Kopf zu fließen. Und die Therapeutin führt den Docht langsam von einer Seite zur anderen Seite der Stirn. Auch die Ärztin war während der gesamten Behandlung anwesend, weil sie genau mitverfolgen wollte, wie die Anwendung verlief. 

Bereits am zweiten Tag konnte ich wahrnehmen, wie sich mein ganzes Körpersystem entspannte, die Nerven sich beruhigten und die Aktivitäten des Geistes ebenfalls zur Ruhe kamen. Während sich bei mir innere Ruhe einstellte, erfuhr ich im Gespräch mit anderen Gästen, dass bei ihnen verdrängte Gefühle zutage traten. 

Bei Karin, die zum ersten Mal eine Ayurveda-Kur machte, flossen nach dem ersten und zweiten Stirnguss viele Tränen. Bei Maria, die ebenfalls zum ersten Mal mit Ayurveda in Kontakt kam, kam auch viel emotionaler Schmerz hoch, was dazu führte, dass auch sie über viele Stunden weinte.

Am dritten Tag brachte mich der Stirnguss noch mehr in die Ruhe, und ein klares Licht erfüllte meinen Kopf. Keine Gedanken. Keine Geschichten. Was für ein Geschenk! Was für eine Wohltat! Einfaches Sein. Nach der Behandlung wollte ich lange nicht aufstehen und genoss diese innere Klarheit und Ruhe sehr. Ich kannte diese Zustände eher aus langen Meditationen. Als ich der Ärztin von meiner Erfahrung erzählte, erklärte sie mir, dass besonders solche Gäste Erfahrungen von Klarheit und Licht machen, die bereits über eine längere Meditationspraxis verfügen. Andere, die sich noch nicht so sehr mit ihren Gefühlen und Schattenseiten beschäftigt hatten, mussten sich wohl erst mit diesen Aspekten auseinandersetzen.

Karin, die mit einer tiefen Trauer konfrontiert worden war, weinte auch nach dem dritten Stirnguss sehr viel. Für sie waren diese Tage ohne Ablenkung eine starke Katharsis. Sie hatte während der Coronakrise sehr unter Einsamkeit und großen Ängsten gelitten. Während der Kur konnte sie sich diesen Gefühlen endlich im geschützten Rahmen unter der herzlichen Begleitung der Ärztin stellen und sich davon verabschieden. Es war, als hätte das warme Öl einen inneren Damm gebrochen. Auch wenn all die Tränen sie während dieser Tage erschöpften, so ging sie sehr gestärkt aus der Kur heraus

Maria erlebte während ihres dritten Stirngusses etwas, das sie zwanzig Jahre zuvor schon einmal erfahren hatte, als sie in Thailand mit Freundinnen zusammen psychoaktive Pilze genommen hatte: Sie badete in einem Meer mit bunten Fischen. Nach diesem farbenfrohen Bad war sie erfüllt von tiefem innerem Frieden. Und der hielt die nächsten Kurtage an. Auch sie ging nach der Kur in sich ruhend wieder in ihren Alltag zurück. Ich bekam noch einen vierten Stirnguss, der mir in der darauffolgenden Nacht tiefe Träume bescherte und Themen an die Oberfläche meines Geistes spülte, die ich längst vergessen hatte.

 Andere Gäste erzählten mir ebenfalls, dass ihnen durch die Behandlungen in nächtlichen Träumen vieles bewusst geworden war, was sie im Alltag verdrängt oder vergessen hatten. Als all das an die Oberfläche kam, war ich froh und dankbar. In diesem Moment dachte ich an die Worte eines Meditationslehrers, der sagte, dass unser Geist einer Festplatte gleicht, auf der alles gespeichert ist. Auf dem spirituellen Weg, so meinte er, gehe es unter anderem darum, alte, überflüssige Dateien zu löschen, um mehr und mehr unmittelbar aus dem gegenwärtigen Moment heraus leben zu können.

Als ich das Ayurveda-Zentrum nach einer Woche verließ, fühlte ich mich entspannt und sehr präsent. Ich reiste noch eine Weile durchs Land, um anschließend eine dreiwöchige Panchakarma Kur an der Küste zu machen. Auch hier bekam ich Stirngüsse. Aber ihre Wirkung war für mich bei Weitem nicht so tiefgehend wie die im Ayurvie Sigiriya Retreat. Vielleicht lag es daran, dass die Ärztin durch ihre Haltung, dass Shirodhara spirituelle Erfahrungen herbeiführen könne, den Zugang zu tieferen Ebenen des Bewusstseins unbewusst eingeleitet hatte. Schließlich weiß man heute, dass unsere Absichten ein Forschungsergebnis maßgeblich beeinflussen. Vielleicht lag es aber auch an dem Ort, der mich auf einer so tiefen Ebene entspannte und mich zur Ruhe kommen ließ. Was auch immer es war: Ich war dankbar, einer Ärztin begegnet zu sein, für die Shirodhara viel mehr ist als nur ein Stirnguss.

 

zum Ayurvie Sigiriya Retreat

 

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