Leben & Arbeiten in der Türkei - Eine persönliche Geschichte vom Auswandern
2005 hat uns die Sehnsucht nach fernen Ländern gepackt. Ich kann es heute im Nachhinein nicht so genau beschreiben, was der Auslöser war. Der frühe Tod meiner Eltern, die immer wiederkehrende Routine im Beruf oder das übergeregelte Leben in Österreich.
Wie auch immer, die Entscheidung zum Auswandern in Türkei haben wir sehr schnell getroffen, quasi aus dem Bauch heraus. Meine Frau Sibel hat sich mitreißen lassen, obwohl Sie als Türkin einige Zeit gebraucht hatte, in Österreich heimisch zu werden, die Sprache zu erlernen und einen Beruf zu finden.
Für den Umzug in die Türkei haben wir unseren ganzen Hausrat in einen riesigen Lastwagen, der türkische Orangen nach Tirol gebracht hatte und leer zurück fuhr, geladen und in die Türkei geschickt. Vom Fahrer hatten wir nur den Vornamen und eine Handynummer. Nicht auszudenken die Folgen, wenn wir da an einen schlechten Menschen geraten wären. Doch alles ging gut aus.
Der Traum vom eigenen Reisebüro
Unsere erste Wahl in der Türkei fiel auf Istanbul. Hier hat meine Frau viele Verwandte und wir hatten uns gute Chancen ausgerechnet, mit unserer Idee von einem Reisebüro für Naturabenteuerreisen in ferne Länder, in dieser riesigen Stadt Kunden zu finden. Doch dann kam alles ganz anders. Unsere Idee floppte, wir hatten das Reiseverhalten der Türken völlig falsch eingeschätzt. Bei nur zwei Wochen Jahresurlaub hat fast niemand Zeit, lange auf Fernreisen zu gehen. Und Naturabenteuer haben viele Türken noch vor ein bis zwei Jahrzehnten unfreiwillig erlebt, wegen der damals weit verbreitenden Armut. Heute geht es den Leuten besser und wenn jetzt erstmals eine Auslandsreise gebucht wird, dann sind kurze Standartreisen und Sehenswürdigkeiten abklappern gefragt.
Nach zwei Jahren mussten wir mit unserer Idee aufgeben. Das Geld wurde knapp. Zurück nach Österreich mit nichts in der Hand kam für mich nicht in Frage. Meine Frau hatte da einen viel pragmatischeren Blick, sie war durchaus bereit, in Österreich noch einmal neu anzufangen.
Umzug in das Bergdorf Beycik
Durch einen Verwandtenbesuch in der Region Antalya wurden wir dann auf das kleine Bergdorf Beycik an der Lykischen Küste aufmerksam. Nach zwei Jahren in einer hektischen Metropole mit 15 Millionen Menschen, erschien uns dieses kleine Dorf wie ein Paradies und da wir beide sehr naturverbundene Menschen sind, auch viel vertrauter.
Dann ging alles wieder ganz schnell. Der Schwiegervater hatte dort auf einem Grundstück, das meiner Frau und Ihrer Schwester gehört, bereits einen Garten angelegt und schon zu Bauen begonnen. Die unkomplizierte Art der türkischen Leute, nicht ewig lang zu planen und einfach anzupacken, hat es dann möglich gemacht, dass in kürzester Zeit ein weiteres Stockwerk für uns auf das bereits bestehende Haus aufgestockt wurde. Im April 2008 sind wir dann, nach einer 14- stündigen Fahrt von Istanbul, todmüde dort angekommen. Es war ein heißer Tag und wir haben uns spontan zum Baden gehen in einer kleinen Meeresbucht entschlossen. Wie wir da im Meer plantschten, habe ich zu meiner Frau gesagt, wir sind im Paradies gelandet.
Seitdem sind weitere 7 Jahre vergangen. Wir mussten nochmal bei Null anfangen und da wir auch nicht mehr ganz die Jüngsten waren und schon 2 Kinder mit uns lebten, hat alles auch nicht wenig Kraft gekostet.
Aber der Gedanke, unsere Ideen vom Leben und Arbeiten in der Natur verwirklichen zu können, etwas Eigenes aufzubauen, hat uns Flügel verliehen und rückblickend gesehen, hat in kritischen Momenten irgendeine höhere Macht die ganze Zeit ihre schützende Hand über uns gehalten. So ist es mir zu mindestens vorgekommen.
Neuanfang an der Lykischen Küste
Die Anfänge waren mehr als bescheiden. Meine Frau hat für Gäste, die in unserem Ort ein Restaurant gesucht haben, in unserer kleinen Wohnung im 2. Stock gekocht. Später wurde dann an Wochenenden das schöne Wohnzimmer der Schwester im Erdgeschoss „ausgeliehen“, freigeräumt und dort die Gäste von Geburtstags- und Feiertagsessen bewirtet. Das Essen musste umständlich immer von der Küche im zweiten Stock über mehrere Treppen hinunter transportiert werden. Bis es unten ankam war es entweder kalt oder verschüttet. Unzähliges Geschirr ging unterwegs zu Bruch.
Der nächste Schritt war der Bau einer kleinen Laube mit vier Tischen im Garten direkt bei unserem Haus. Gekocht wurde immer noch in der Wohnung. Naiv wie wir waren, fühlten wir uns damals bereits als richtige Restaurantbesitzer. Bei der Eröffnung mit kostenlosem Essen für die Ehrengästen und alle anderen war das Lokal das einzige Mal voll. Danach hat fast niemand das winzige Schild an der Straße gesehen oder den Weg durch den weitläufigen Garten gefunden und der dort lebende, große Hund, hat auch nicht sehr einladend gewirkt.
Also haben wir dann unser letztes Geld zusammengekratzt und ein „richtiges” kleines Lokal, das am anderen Ende unseres Grundstücks steht, dort wo die Dorfstraße vorbei führt, gebaut. Von da an ging es dann aufwärts. Jedes Jahr finden jetzt mehr Gäste den Weg in unser Restaurant, wo meine Frau Sibel und Mitarbeiterin Rahime traditionelle türkische Gerichte mit biologisch angebauten Produkten aus unserem Garten kochen. Gegessen wird in der warmen Jahreszeit auf unserer schönen Aussichtsterrasse im Garten unter Olivenbäume, mit Blick auf den Olympos Berg, im Winter in der gemütlichen Stube am Ofen.
Eintragungen und Lob in diversen Reiseführern und Reiseforen im Internet bringen individuell Reisende zu uns. Kooperationen mit Reiseveranstaltern vor Ort, wie NEUE WEGE, die Yoga-Reisen in die Türkei anbieten, sorgen dafür, dass auch kleine Gruppen den Weg zu uns finden. Wir genießen den sehr persönlichen Kontakt zu unseren Gästen und sehen uns als Vermittler zwischen den Kulturen. Besonders die Kochkurse meiner Frau Sibel werden sehr gerne von den Gästen als Gelegenheit verwendet, um mehr über die Kultur der Türkei zu erfahren.
Wanderungen durch die Bergnatur des Taurusgebirges
Parallel zum Restaurant haben wir in der umgebenden, tollen Bergnatur des Taurusgebirges ein Wandergebiet mit 150 km markierten Wegen aufgebaut. Bei unserer Ankunft war nur der Lykische Weg bekannt, der durch unser Dorf führt, dessen Tagesetappen aber recht lang sind. Kürzere Genusstouren, im Bereich von 3-4 Stunden, fehlten völlig. Über die Jahre konnte ich mit einem befreundeten, englischen Ehepaar eine große Zahl alter Hirtenpfade wiederentdecken, die teilweise direkt bei unserem Restaurant starten und zu schönen Zielen, wie den Beycik Wasserfall oder zur antiken, lykischen Stadt Ladbarkeit führen.
Im letzten Jahr hat auch die lokale türkische Verwaltung den Wert unserer Arbeit für den Tourismus erkannt und durch Gemeindearbeiter die Wege zweifarbig markiert und mit Schildern ausgestattet. Vor drei Jahren sind noch die vier gutmütigen Eselstuten „Moro“, „Emma“, „Trotro“ und „Lotin“ dazugekommen, die uns auf den Touren als Reittiere für die Kinder und zum Transport der Rucksäcke zur Verfügung stehen. Im Herbst vor zwei Jahren, wurde Junghengst „Ringo“ geboren.
Nach sieben Jahren Aufbauzeit können wir sagen, dass wir es geschafft haben, in der Türkei eine neue Existenz aufzubauen. Im letzten Winter kam daher der Zeitpunkt, ein bisschen innezuhalten, zu verschnaufen und Neues zu planen. Bei einem Winterurlaub in diesem Jahr in Österreich, unserer alten Heimat, hat sich nach zwei Wochen trotz herrlichem Winterwetter, Rodeln und Skifahren die ganze Familie auf unser Zuhause in Beycik gefreut, ein sicheres Zeichen, dass wir durch das Auswandern in die Türkei am richtigen Platz gelandet sind!
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