Interview mit Dr. Sarath - Ayurveda-Chefarzt der Villa Safira
Seit über 40 Jahren führt der Chef-Arzt der Villa Safira, Dr. Sarath, die ayurvedische Medizin aus. Er wohnt mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen in Colombo, der Hauptstadt Sri Lankas. Lisa Stich bekam die Chance Dr. Sarath mehrere Wochen als Praktikantin in Sri Lanka über die Schulter zu schauen und berichtet von ihren Eindrücken.
Dr. Sarath kommt jeden zweiten bis dritten Tag in der Villa Safira vorbei. Vor allem bei der sogenannten „first“ und „last doctor-consulation“ der Patienten ist er dabei und bespricht mit den drei Ärztinnen, bei denen es sich ebenfalls um vollständig ausgebildete bzw. studierte Ayurveda-Ärztinnen handelt, den individuellen Medikamenten-Plan des jeweiligen Patienten.
Bei Lisas Praktikum hatte sie die Möglichkeit ihm spannende Fragen über seine Ausbildung, Arbeit und das Besondere an Ayurveda zu stellen. Was Ayurveda so einzigartig und erfolgreich macht, welche Unterschiede es zur Schulmedizin gibt und ob ein Ayurveda-Arzt tatsächlich eine Lieblingspflanze hat, erfahren Sie im Interview:
Um als Ayurveda-Arzt arbeiten zu können muss man das entsprechende Studium abschließen. Wie lange dauert dieses Studium und wo genau haben Sie studiert, Dr. Sarath?
Das Studium der ayurvedischen Medizin dauert insgesamt sechs Jahre. Davon finden in der Regelstudienzeit fünf Jahre in der Universität statt und ein Jahr hospitiert man in einem Krankenhaus oder einer anderen medizinischen Einrichtung. Es gibt in Sri Lanka mehrere Universitäten, die ayurvedische Medizin lehren. Ich habe im Jahr 1975 meinen Abschluss an der Colombo University gemacht.
Warum wollten Sie ausgerechnet die ayurvedische Medizin studieren und praktizieren?
In meiner Familie gab es vor mir keinen Arzt. Schon als ich noch ein kleiner Junge war, habe ich oft hinter unserem Haus gesessen und mich mit Pflanzen und Tieren beschäftigt. Als ich etwas älter wurde fing ich auch an kleinere Tiere und Pflanzen zu untersuchen und zu pflegen. Ayurveda ist sehr mit der Umwelt und der Natur verbunden. Das jahrtausendalte Wissen, was hinter jeder einzelnen Pflanze steckt und dennoch die Nähe zum Patienten und die individuelle Behandlung, hat mich damals dazu bewogen mich für die ayurvedische Medizin zu entscheiden, was ich bis heute keinen einzigen Moment bereut habe. Ich hatte auch das Glück, dass meine Eltern meine Entscheidung akzeptierten und mich darin unterstützen.
Die Nähe zum Patienten und die einzigartige Nutzung der Pflanzen haben Sie zum Ayurveda gebracht?
Es steckt noch so viel mehr dahinter. „Das Wissen vom Leben“ (Ayurveda) beinhaltet nicht nur die Nutzung von pflanzlichen Wirkstoffen, welche die Menschheit über tausende von Jahren erkundet hat und von denen eine unheimlich große Anzahl in Sri Lanka selbst wächst. Es ist vielmehr der ganze Einklang des Lebens. Im Vergleich zur westlichen Medizin, zumindest so wie ich sie kennengelernt habe, findet eine ganz andere Interaktion zwischen Arzt und Patient statt. Wir wollen keine Symptome bekämpfen, sondern die Ursache der Beschwerden finden und an diesen etwas ändern. Dafür reicht es nicht aus den Patienten einfach nur zu fragen wo es gerade „weh-tut“. Zudem liegt Ayurveda dem Buddhismus sehr nahe. Ich kann mit der ayurvedischen Medizin bestens im Einklang mit meiner Religion leben.
Was genau macht Ihrer Meinung nach Ayurveda denn so einzigartig für die Gesundheit?
Ayurveda sieht den kompletten Menschen als eins. Dazu gehört nicht nur die Anatomie bzw. die physikalisch Gesundheit des Menschen, sondern genauso die mentale Balance. Man kann den Menschen in diesen zwei Punkten nicht getrennt voneinander sehen. Oftmals denken Patienten, ihre Beschwerden kommen von nur einem Fehlverhalten und mit nur einer Massage oder Behandlung sind die Symptome verschwunden. Symptome lassen sich tatsächlich in manchen Fällen relativ schnell beseitigen, doch im Ayurveda geht es nicht nur darum die Symptome zu bekämpfen, sondern die Wurzeln derer zu finden. Das lässt sich ganz gut mit der Öllampe im Auto vergleichen. Wenn dieses Lämpchen aufleuchtet, bringt es wenig das LED auszustecken, damit es nicht mehr leuchtet. Klar, die Symptome – das Leuchten – wären damit beseitigt worden, doch ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich das eigentlich Problem auf eine andere Weise bemerkbar macht. Ich denke diese Herangehensweise der Ursachenbekämpfung macht Ayurveda besonders bedeutsam für die Gesundheit.
Sie haben bereits erwähnt, dass im Ayurveda nicht nur die Medizin an sich, sondern auch das Zwischenmenschliche von Patient und Arzt eine bedeutsame Rolle spielt. Können Sie uns darüber mehr erzählen?
In vielen ayurvedischen Einrichtungen, wie auch hier in der Villa Safira, präparieren wir Ärzte einen Großteil der Medizin selbst. Das macht die Medizin natürlich individueller und die Gesundheits- und Heilungschance des Patienten steigt. Damit wir diese verschiedenen Medikamente aber auch wirklich an den Patienten anpassen können, ist ein ausführliches Patientengespräch unerlässlich. Die Lebensgeschichte des Patienten beinhaltet nicht nur die bereits durchgeführten, medizinischen Eingriffe, sondern auch die Familiengeschichte, der Lebensstil, die Beschwerden, die Gangart, der Charakter und vieles mehr. Durch das Kennen der Vorgeschichte des Patienten wird die individuelle Behandlung überhaupt erst möglich. Es können fünf Patienten über Kopfschmerzen klagen und trotzdem wäre es fatal ihnen allen fünf die gleichen Medikamente zu geben. Denn die Ursache für das Kopfweh kann bei allen fünf auf unterschiedliche, „tiefere" Beschwerden zurückzuführen sein.
Gibt es den Behandlungen die Sie selbst bei sich regelmäßig ausführen?
Natürlich. Die Reinigungsverfahren, besonders die Darmreinigung, führe ich regelmäßig durch. Aber auch wenn ich einen bestimmten Infekt habe, führe ich dafür geeignete Behandlungen durch. Auch die ayurvedische Küche wäre für mich sehr schwer weg zu denken.
Besuchen Sie als Ayurveda-Arzt denn auch Fortbildung oder Ähnliches?
Es gibt keine bestimmte Regelung für Ayurveda-Ärzte auf Fortbildungen zu gehen. Ich war jedoch schon auf mehreren. Besonders eindrucksvoll und interessant fand ich die Fortbildungen im Iran. Ich habe dort besonders viel über Pflanzen gelernt, wie sie wachsen, verschiedene Arten, wie wir sie für unsere Behandlungen anwenden können, aber auch wie sie teilweise für die Medizin präpariert werden. In Indien war ich schon dreimal auf Fortbildung und auch einmal in Korea, ebenfalls sehr interessant. Ich treffe mich hier in Sri Lanka aber auch immer wieder mit traditionellen Ärzten um Neues zu lernen, denn man lernt auch im Ayurveda nie aus.
Sie waren schon dreimal in Indien? Unterscheidet sich die ayurvedische Medizin in Sri Lanka denn zu der in Indien?
Ein bisschen schon. Die „Grundregeln“ und Behandlungen sind gleich und viele Anwendungen sind sehr ähnlich. Bezüglich Schlangenbissen, Augenkrankheiten, Gelenkbeschwerden, etc. gibt es kleine Unterschiede. Das kann aber, wie beispielsweise bei den Schlangenbissen, auch daran liegen, dass es bestimmte Tierarten auf Sri Lanka nicht gibt und deren Behandlungen deshalb auch nicht wirklich niedergeschrieben oder verankert wurden. Auch die Akupunktur unterscheidet sich etwas. In Indien gibt es zu unseren Panchakarma-Behandlungen noch zusätzliche Behandlungen, besonders für Analkrankheiten. Es handelt sich jedoch in den meisten Unterschieden um kleine Abweichungen. Das Grundgerüst des Ayurveda ist das Gleiche.
Ayurveda ist in Sri Lanka weit verbreitet, gibt es denn auch eine Art ayurvedische Krankenhäuser?
Ja, hier in Sri Lanka gibt es einige ayurvedische Krankenhäuser. In manchen Fällen, wie beispielsweise einem Knochenbruch, sind die Behandlungen oder Operationen sehr ähnlich wie in herkömmlichen Krankenhäusern. Manche Behandlungen unterscheiden sich jedoch deutlich. Bei speziellen Operationen, wie beispielsweise einem Leistenbruch, benötigen die OP-Ärzte eine zusätzliche, spezielle Ausbildung bzw. ein Zusatz-Studium.
Meine letzte Frage an Sie, Dr. Sarath, ist eine eher persönliche Frage. Haben Sie denn so etwas wie eine „Lieblingspflanze“ in der ayurvedischen Medizin?
Ich bin von sehr vielen Pflanzen fasziniert, jedoch habe ich tatsächlich so etwas wie eine Lieblingspflanze. Der bis zu 25 Meter hoch werdende Baum „Aralu“ (Terminalia chebula) wächst nicht nur überall auf unserer grünen Insel, sondern kann sogar unsere Gesundheit in vielerlei Hinsichten unterstützen. Hauptsächlich nutzt die ayurvedische Medizin die Früchte des Baumes, allerdings kann man von der Wurzel, über den Stamm, bis zu den immer grünen Blättern alles nutzen! Meist werden aus den einzelnen Baumteilen Pulver oder Tabletten hergestellt. Diese reinigen je nach Inhalt den Körper, sind wirksam gegen viele Krankheiten wie beispielsweise Augenkrankheiten und fördern auch den Ausgleich der drei Doshas unglaublich gut. Für mich persönlich ist dieser Baum eine wahre Wunderpflanze.
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