Interview mit Annemarie Giordano über das Konzept vom Osterhof Fehmarn
Liebe Frau Giordano, Sie haben mit ihrem Mann 2018 den Osterhof ihrer Familie übernommen und führen ihn voller Leidenschaft. Wie kam es zu der Entscheidung zur Übernahme des Hofs? Was war Ihnen dabei besonders wichtig?
Die Entscheidung, den Osterhof zu übernehmen war die bisher sowohl herausforderndste als auch bereichernste Entscheidung unseres Lebens. Giacomo und ich wohnten zu diesem Zeitpunkt in Paris, ich war kurz vor der Beendigung meines Studiums der Environmental Policy und hatte schon meinen Jobvertrag beim OECD unterschrieben. Giacomo arbeitete als Sommelier im 3 Sterne Restaurant Pavillon Ledoyen. Völlig unerwartet rief mein Vater an, dass mein großer Bruder den Osterhof nicht so wie vorher geplant übernehmen wollte und er nun uns das Angebot machte. Wir fielen natürlich aus allen Wolken.
Es flossen viele Tränen in den nächsten Tagen und viele Gedanken schossen uns durch den Kopf. Können wir das schaffen? Wollen wir das? Entspricht es unseren Werten und dem, was wir in der Welt bewegen wollen? Paradoxerweise spürte vor allem Giacomo für sich ein ganz klares Ja, obwohl er kein Wort Deutsch sprach und auch außer des Weinanbaus nicht viel mit Landwirtschaft zu tun gehabt hatte. Wir sahen jedoch immer eine riesengroße Chance darin, selbstständig zu sein. Seit 2018 bereuen wir unsere Entscheidung nicht und fühlen uns erfüllt, immer mehr unsere Kernwerte in unsere Vision auf dem Osterhof einfließen zu lassen. Wir kreieren dort einen Ort der Gesundung, in dem wir menschliche und natürliche Gesundwerdung zusammenfließen lassen. Wir vereinen regenerative Landwirtschaft mit Ayurveda & Yoga Gesundheitsurlaub und machen beides für unsere Besucher*Innen erleb- und anfassbar. Das erfüllt uns zutiefst.
Der Osterhof Fehmarn ist ein 150 Jahre alter Bauernhof. Sie bieten das norddeutsche Landleben als Urlaubserlebnis an. Was macht für Sie Urlaub auf dem Land so besonders?
... Dass Giacomo und ich mit unserem ganzen Osterhof Team mit dem Herzen dabei sind. Das ist eigentlich das Feedback, das wir eigentlich von all unseren Gästen bekommen. Unser Projekt auf dem Hof ist noch sehr jung, bei uns ist bei Weitem noch nicht alles perfekt. Aber in jedem Quadratzentimeter des Hofes steckt unser Herzblut. In den liebevoll angepflanzten Blühstreifen, in den frisch renovierten, nachhaltig gebauten Ferienwohnungen, im 120 Jahre alten Yogaraum im traditionellen Bauernhaus, im Hofladen... Wir und das ganze Team hier wissen, warum wir das alles machen. Das setzt für uns einfach enorm viel Energie frei, die wir in den Osterhof und seine Vision investieren.
Auf dem Osterhof Fehmarn wird das Landleben mit ayurvedischer Lebensphilosophie verbunden. Wie kamen Sie dazu Ayurveda mit in ihrem Konzept einzugliedern?
Während meines Studiums begann ich schon früh, meine wissenschaftliche Reise mit einer inneren Reise zu komplementieren. Ich meditierte bei verschiedenen buddhistischen Schulen, am intensivsten aber im tibetischen und im Vipassana Buddhismus. Diese Erfahrungen haben mich und meinen Lebensweg tief geprägt.
Der Ayurveda ist zwar im Kern nicht in erster Linie ein spiritueller Lebensweg - das indische Pendant dazu wäre Yoga – Ayurveda beschäftigt sich aber mit allen Lebensbereichen, die zur körperlichen und mentalen Gesundwerdung mit beitragen. Ohne einen gesunden Körper und Geist kann sich auch der spirituelle Bereich im Leben nicht gänzlich entfalten. Ayurveda ist daher sehr konkret: wie wirkt sich Ernährung auf meinen Körper und meine Selbstentfaltung aus? Wie der Zustand meines Nervensystems? Wer bin ich und wie bringe ich mich am Besten in diese Welt ein? All diese Fragen sind für die Gesundwerdung im Ayurveda relevant.
Für mich war es schon früh klar, dass ich diese Arbeit mit in mein Leben auf dem Osterhof mit integrieren möchte. Wie schon erwähnt geht es bei uns sehr viel um Gesundwerden: sowohl in unserer Agroökosysteme in der regenerativen Landwirtschaft als auch den Menschen, die zu uns kommen.
Warum denken Sie passt die Kombination aus norddeutschen Landleben und Ayurveda so gut zusammen?
Giacomo und ich sind sehr verbunden mit unserer natürlichen Umgebung hier in Norddeutschland und auf Fehmarn. Obwohl wir sowohl aus Italien, als auch mit der indischen Philosophie sehr viel von fernen Kulturen mitgebracht haben, sind wir hier mit unseren Wurzeln tief geerdet. Der Alltag bei uns ist und bleibt waschechtes norddeutsches Landleben.
Hier auf unserem Osterhof sagen wir mal „Moin“, mal „Namasté“. Und noch als kleine Info: nur in Hamburg antwortet man auf „Moin“ mit „Moin Moin“ – auf Fehmarn bleibt es beim einfachen „Moin“.
Nachhaltigkeit und das Leben im Einklang mit der Natur ist ein großer Aspekt auf ihrem Hof. Sie orientieren sich an dem Prinzip der regenerativen und ganzheitlichen Landwirtschaft. Was kann man sich darunter vorstellen?
Der Begriff „regenerativ“ geht sozusagen noch einen Schritt weiter als „nachhaltig“. Nachhaltig zu sein, bedeutet, Ressourcen zu schonen und das, was schon da ist, zu nutzen. Regenerativ zu agieren bedeutet hingegen, Ressourcen sogar wiederaufzubauen, also zu re-generieren.
Konkret auf die Landwirtschaft bezogen ist unser Leitmotiv, die bisher sehr intensiv genutzten Böden wieder zu vitalisieren. Natürlich kann das Bodenleben nie völlig erschöpfen, aber die Vielfalt von Flora, Fauna und Pilzen (Pilze sind übrigens der oft übersehene Star im Bodenleben) kann in der intensiven Landwirtschaft sehr geringfügig sein. Somit muss eben viel von oben raus (Dünger, Pflanzen“schutz“mittel etc.).
Unsere Ziele in der regenerativen Landwirtschaft erreichen wir z.B. dadurch, dass wir den Garten nicht mehr graben und unsere Felder nicht mehr umpflügen. Des Weiteren pflanzen wir jetzt im Herbst 2022 unser erstes Agroforstsystem, denn die Kombination von Bäumen und Agrarwirtschaft kann eine sehr positive Synergie bilden.
Haben Sie noch Tipps für unsere Gäste auf dem Osterhof?
Absolut. Gehe am besten sogar bei Regenwetter barfuß über unsere naturbelassenen Außenflächen und trete in Kontakt. Mit Dir selbst und der Natur. Und spüre wie die Grenzen zwischen Innenleben und Außenwelt zerfließen. Dies sind die magischen Momente des Lebens.
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