Buddha und Smartphone - Wie passt das zusammen?
... zwei Themen, die scheinbar unterschiedlicher nicht gehen. Wie sie dennoch miteinander in Verbindung stehen möchte Dr. Fleur Sakura Wöss im Folgenden erklären.
„Seit ich Facebook vom Handy deinstalliert habe, geht es mir richtig gut“, erzählte mir gestern eine Freundin am Telefon. „Ich konnte nicht anders als dauernd draufzuschauen, das hat mich richtig süchtig gemacht“.
Ja, ich kenne das. Da ist man unterwegs und hat nichts zu tun. Rundum missmutige Menschen in der U-Bahn, das Buch wartet in der Tasche, doch Lesen ist zu anstrengend, die Gratiszeitung zu seicht, also verspricht der Blick auf das Smartphone eine willkommene Abwechslung – nicht zu anstrengend und doch unterhaltsam. Sobald ich das Smartphone herausziehe, habe ich die Wahl: die neuesten Nachrichten (nicht so toll), die Emails checken (hm, zu beruflich), oder mal bei Facebook, Xing oder LinkedIn vorbeischauen. Dort verliere ich mich gerne in Zitaten von Einstein, Dalai Lama und Maxi Müller (der sich für mindestens so weise wie den Dalai Lama hält), den Baby–Fotos einer entfernten Bekannten und dem Schnappschuss einer Freundin mit einem tibetischen Mönch vor seinem Kloster.
Wenn ich merke, dass ich nicht anders kann als zum Smartphone zu greifen, halte ich inne und denke: „Was passiert da eigentlich?“
Erstens, ich konditioniere mich. Jedes Mal wenn ich beim Warten das Smartphone zücke, gräbt sich die „Smartphone–Sucht–Autobahn“ wieder einen Zentimeter tiefer in mein Gehirn ein und ich finde dann gar nicht mehr aus der Abhängigkeitsrille raus.
Zweitens, ich bin unzufrieden mit der Situation wo ich gerade bin (U-Bahn), eine ganz alltägliche Situation. Etwas nervt mich. Im Buddhismus geht es um dieses Gefühl der Unzufriedenheit. Die erste edle Wahrheit heißt: „Da ist Leid“. (Nicht Leben ist Leiden, wie so oft übersetzt). Was ist das Wort Leiden, wie es im alten Indien gebraucht wurde? Das Wort hieß „Dukha“ und bezeichnete ursprünglich, dass ein Rad nicht rund läuft. Mein Rad läuft häufig unrund. Es holpert jeden Tag.
In der U-Bahn nervt mich die vergeudete Zeit, die Leute rundherum und die Hässlichkeit der Stationen und da suche nach einem Ausweg, um mich abzulenken. Der Ausweg heißt in diesem Fall Smartphone.
Drittens, ich wechsle innerlich die Richtung. Die U-Bahn ist hässlich, alles stört mich. Es zieht mich woandershin als ich bin. Ich bin nicht DA, wo ich gerade wirklich bin. Diese Spannung, dass ich etwas anderes will als jetzt ist, erzeugt das unrunde Rad.
Fazit: Es gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder ich ändere die Situation oder ich ändere meine Einstellung. An beidem habe ich etwas geändert. Ich fahre jetzt ein Stück des Weges mit dem Fahrrad. Den Wind im Gesicht zu spüren und die milde Luft macht mich richtig glücklich. Da läuft mein inneres Rad rund. Und ich habe auf meinem Handy die Facebook App deinstalliert. Das war die beste und befreiendste Entscheidung des Monats. Ich spüre jetzt kaum mehr das ziehende Verlangen, in die Tasche zu greifen. Oft lasse ich mich einfach von der U-Bahn schaukeln und schließe die Augen. Das hat etwas Beruhigendes, Schwingendes.
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Dr. Fleur Sakura Wöss ist Leiterin des Zen-Zentrums Mishoan in Wien und schreibt ihre Alltags-Beobachtungen in ihrem Blog www.fleurszenblog.com. Die letzten Beiträge waren über Buchschreiben, Körperrhythmen und die Zen-Erfahrungen von Leonard Cohen.
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